Wo sich Sachsen von seiner schönsten Seite zeigt
Ein Interview von Detlef Berg mit Prof. Dr. Georg Prinz zur Lippe.
Die Weinberge liegen hoch über der Elbe. Von ihnen eröffnen sich großartige Ausblicke auf die weltbekannte Porzellanstadt Meißen und ihre Wahrzeichen, die Albrechtsburg und den Dom. Proschwitz ist das älteste private Weingut Sachsens. Rund 98 Hektar Rebfläche werden heute vom Weingut Proschwitz bewirtschaftet. Erzeugt werden ausgezeichnete Weiß- und Rotweine. Außerdem gibt es Winzersekte und aus der Meissener Spezialitätenbrennerei kommen exzellente Brände, Geiste und Liköre. Seit 1996 gehört Schloss Proschwitz zum Verband Deutscher Prädikatsweingüter. Darüber hinaus belegen zahlreiche Auszeichnungen aus dem In- und Ausland eindrucksvoll, dass das Weingut Schloss Proschwitz zu den Spitzenweingütern in Deutschland gehört.
Der Weg zu diesem Erfolg war mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Was bewegt Sie, wenn Sie an die Anfänge zurückdenken?
Als ich zu Beginn der 1990er Jahre meinen gut dotierten Job als Unternehmensberater aufgab, um den früheren, 1945 enteigneten Besitz meiner Familie zurückzukaufen und zu renovieren, haben mich so ziemlich alle Kollegen und Freunde aus der Wirtschaft und der Weinwelt für verrückt erklärt. Heute gratulieren sie mir zum Erfolg und ich bin stolz auf das Erreichte.
Was waren Ihre Beweggründe, die Familientradition fortzuführen?
Adel verpflichtet ja bekanntermaßen. Die Geschichte meiner Familie reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Bis 1918 war sie eines der regierenden Fürstenhäuser Deutschlands. Der Zweig, dem ich angehöre, war seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts in Sachsen ansässig und zählte dort zu den bedeutendsten Unternehmerfamilien. 1945 wurde meine Familie entschädigungslos enteignet, aus ideologischen Gründen inhaftiert und später nach Westdeutschland ausgewiesen. Ab 1990 habe ich die Weinberge und später auch den Familiensitz, das Schloss Proschwitz, zurückgekauft. Ich wollte einen persönlichen Beitrag zum Gelingen der Wiedervereinigung leisten. Außerdem bin ich Unternehmer und war davon überzeugt, dass sich die Investitionen langfristig lohnen würden. Allerdings hatte ich mir die Aufgabe einfacher vorgestellt.
Was waren die größten Probleme?
Unterschätzt hatte ich die mit dem Rückkauf verbundenen rechtlichen Schwierigkeiten, und es gab natürlich auch Vorbehalte gegen einen Adligen, der aus dem Westen kam. Dazu kamen wie im Jahr 1996 witterungsbedingte Ernteausfälle, die nur schwer zu verkraften waren.
Heute präsentiert sich das Weingut Schloss Proschwitz aber als eine Erfolgsgeschichte?
Wir haben sicherlich viel erreicht und können darauf auch sehr stolz sein. Wir bieten etwa 75 Menschen einen Arbeitsplatz und sind fest in der Region verankert. Anerkennung finden auch unsere Weine. Viele Auszeichnungen im In- und Ausland belegen das. Der 2012er Kloster Heilig Kreuz Traminer Auslese zum Beispiel wurde bei der „International Wine Challenge“ in London mit Gold ausgezeichnet. Das war eine von nur sechs Goldmedaillen, die in diesem Jahr an Deutschland gingen.
Was zeichnet Ihre Weine aus?
Ich denke, dass das Terroir und das besondere Mikroklima im Elbtal ein unverwechselbares Aroma unserer Weine hervorbringen. Unsere Reben gedeihen auf einer bis zu sechs Meter mächtigen Lehmlöss-Schicht, die auf Granit und Syenit-Felsen ruht. Diese Bodenbeschaffenheit spiegeln gerade die Weißweine mit ihrer besonderen Fruchtigkeit und Mineralität wider. Dazu kommt das „cool climate“ unserer Region, das für eine angenehme, frische Säure sorgt. Niedrig gehaltene Erträge und gezielte Selektion ermöglichen unserem aus Südafrika stammenden Kellermeister Jacques du Preez, die Stärken der Weine herauszuarbeiten. Dabei werden die Trauben schonend abgepresst; durch eine kühle und langsame Gärung verlassen die Weine den Keller als authentische Persönlichkeiten made in Sachsen. Die Investitionen in den Keller in Zadel und im nahegelegenen Ockrilla zahlen sich bereits aus.
Was hat es mit dem neuen Produkt „Signature Line“ auf sich?
Wir verfügen jetzt über 90 Hektar Rebfläche, wovon 70 Prozent im Ertrag sind. Das versetzt uns in die Lage, keine Trauben mehr zukaufen zu müssen. Gleichzeitig wollen wir neue Konsumenten ansprechen und an die Weinkultur heranführen. Mit der neuen Linie bieten wir dafür günstigere Einstiegsmöglichkeiten und bringen auch zwei Cuvées auf den Markt. Die weiße Cuvée ist ein toller Essensbegleiter und zeichnet sich durch saftige Fruchtaromen wie Maracuja und Stachelbeere aus. Friederike so heißt unsere aus Dornfelder und Spätburgunder kreierte Rotweincuvée. Sie trägt ihren Namen zu Ehren meiner Großmutter Friederike Prinzessin zur Lippe. Eine ursprünglich als Geburtstagsgeschenk an meine Frau geschaffene Cuvée Alexandra ist ein eleganter, durch Flaschengärung erzeugter Sekt, der aus den Rebsorten Elbling und Müller-Thurgau besteht. Riesling, Pinot blanc, Dornfelder und ein erfrischender Secco rosé runden die neue Produktpalette ab.
Sie bieten das ganze Jahr über auch zahlreiche Veranstaltungen an. Warum?
Wir haben mit dem barocken Schloss, dem ländlichen Weingutshof in Zadel und dem rustikalen Weinberghäuschen auf den Proschwitzer Höhen einfach perfekte Voraussetzungen für besondere Veranstaltungen. Das Angebot reicht dabei von Weingutsführungen, Weinfesten, speziellen Verkostungen bis hin zu Konzerten. Beliebt sind auch die Wanderungen auf der Sächsischen Weinstraße, die gerade ihr 25-jähriges Jubiläum feiern konnte. Gern werden unsere Räumlichkeiten auch für Familienfeiern, Hochzeiten und Firmenveranstaltungen genutzt. Bei all diesen Gelegenheiten haben die Gäste die Möglichkeit, unsere Weine besser kennenzulernen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Wir brauchen mehr Wein in Sachsen. Sicher, das ist klimabedingt nicht ganz einfach. Es vergeht auch Zeit vom Flächenkauf bis zur ersten Ernte und das schafft auch finanzielle Probleme. Doch wer gute Weine erzeugt, bekommt sie auch gut verkauft. Ich wünsche mir deshalb noch mehr motivierte Winzer für die Region. Sachsen ist ein sehr spannendes Land mit großer Zukunft. Wir haben eine großartige Landschaft, eine ausgezeichnete landestypische Küche und natürlich auch gute Weine. Sachsen bietet alles.