Das Flugzeug landet in Bilbao, der größten Stadt des Baskenlandes, knapp 100 Kilometer von unserem Ziel entfernt. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, gemütlich auf der malerischen Küstenstrecke am Golf von Biskaya nach San Sebastián zu fahren.
Unsere erste Erholungspause ist das Hotel Igeretxe im Strandbad Getxo, das uns mit dem Charme vergangener Belle-Époque-Tage empfängt.
Wer Bibao besuchen möchte, aber nicht in der Stadt übernachten will, dem sei das Hotel an der Küste empfohlen.
Warum gilt San Sebastián nach Umfragen unter Einwohnern und Besuchern als die „Glücklichste Stadt der Welt?“
Während der Fahrt denken wir über die Glücksformel San Sebastiáns nach. Ist es die hohe Dichte besternter Restaurants und das Renommee als internationale Gastronomie-Metropole, befeuert durch die weltweit erste Koch-Universität? Die glanzvolle Vergangenheit als Sommerresidenz von Königen und Adligen mit ihren architektonischen Glanzbauten der Belle Époque? Oder weil man hier im Matriarchat lebte? Frauen hatten quer durch die Jahrhunderte das Sagen im Haus, im Clan und in der Sippe. Frauen führten die Bauernhöfe, Männer nahmen nach der Heirat den Namen der Frau an. Und wo Frauen regieren, hat Kochkunst und die Familie den höchsten Stellenwert. Wahrscheinlich ist es wohl die Kombination aus allem, denken wir uns.
Die ideale Stadt?
Wenn man sich die ideale Stadt wie einen ungemein hübschen Hafen vorstellt, dann sieht diese wohl tatsächlich nicht viel anders aus als San Sebastián.
Es gibt nicht nur einen, sondern gleich drei Stadtstrände, von denen der mittlere, die muschelförmige Concha-Bucht, wohl zu den schönsten Spaniens zählt. Umgeben wird Donostia, so der baskische Name der Stadt, von drei Bergen, die fantastische Ausblicke bieten. Ein vorgelagertes Inselchen hat San Sebastián auch. Das Schifffahrtsmuseum am Hafen lässt nostalgische Reminiszenzen an die Basken als große Seefahrernation aufkommen.
Badevergnügen, Glücksspiel, Prominenz – das Erfolgskonzept der Stadt
Mit den Herpes-Bläschen von Königin Isabella II. (Isabel de Borbón y Borbón-Dos Sicilias * 10. Oktober 1830 in Madrid; † 9. April 1904 in Paris) fing alles an. Um diese auszukurieren, wurden der spanischen Monarchin Seebäder verordnet. Ihre Wahl fiel 1887 auf das damals noch verschlafene Örtchen San Sebastián. Der royale Gast und seine Entourage brachten einen touristischen Aufschwung mit sich, der bis heute anhält. Da die Stadt mit dem wachsenden Zustrom an Kurgästen expandieren musste, begann man Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Bau jenes Viertels, das mit dem Namen „Area romántica“ nur allzu treffend umschrieben ist. Zu den Highlights des nahezu komplett erhaltenen Belle-Époque-Quartiers, das auch ein wenig hochtrabend als „Klein-Paris“ bezeichnet wird, gehört das Rathaus an der Muschelbucht, dem ehemaligen Sitz des Gran Casinos, das 1924 schließen musste, als der Diktator General Rimo de Rivera das Glücksspiel verbieten ließ.
Im wahrsten Sinne des Wortes als krönender Abschluss eröffnete 1912 das Hotel Maria Cristina. Adel verpflichtet, auch in dieser Fünf-Sterne-Unterkunft: Benannt ist das Hotel nach jener spanischen Monarchin, die San Sebastián zu ihrer Sommerresidenz erkoren hatte. Heute können auch Bürgerliche wie wir die Vorzüge der hochherrschaftlichen Residenz genießen und in ebensolcher Opulenz schwelgen wie einst die adlige Kundschaft. Wobei die Zimmerausstattung natürlich den heutigen Vorstellungen von Luxus entspricht.
San Sebastián erleben wir als einzige Gourmetmeile. Unzählige Bars und Restaurants scheinen miteinander zu konkurrieren.
Die Fischrestaurants im Puerto gegen die Lokale der angrenzenden Altstadt. Dort prangen auf übervollen Theken alle möglichen Spielarten von Pintxos, der baskischen Variante der Tapas. In jeder Kneipe stehen Dutzende Varianten dieser handlichen Köstlichkeit auf dem Tresen. Dazu trinkt man am besten „Txakoli“, den moussierenden baskischen Weißwein, der in hohem Bogen in die Gläser gefüllt wird. Oder ein Glas „Sidra“, Apfelwein, dessen jüngster Jahrgang alljährlich beim „Txotx“ genannten Fassanstich gefeiert wird.
Die Original-Pintxos sind zu erkennen am kleinen Holzspieß, den Tapas nicht haben. Wer glaubt, dies seien belegte Brote, irrt vollkommen. Pintxos sind kleine kulinarische Meisterwerke, die „Erfinder“ besonderer Varianten in der Stadt hochgeehrt.
Wer soll das alles essen, überlegen wir, als wir beim Samstagvormittags-Spaziergang neugierig in die Restaurants blicken, in denen das Wochenende vorbereitet wird. Die Stadt wirkt um diese Zeit schläfrig und wenig belebt.
Ab 12 Uhr ändert sich das Bild. Die Einwohner, die sich stolz Donistiarras nennen, abgeleitet von Done Sebastian, dem Schutzheiligen der Stadt, haben ihre Einkäufe erledigt und die Lokale füllen sich schlagartig, bis die Stadt eine einzige Gourmetmeile ist. Drinnen und draußen wird gegessen und getrunken. Das soziale Leben an einem gewöhnlichen Samstag dreht sich jetzt um Kochen und Essen, wie es uns noch nirgendwo so begegnet ist, und zieht uns mit auf eine Pintxos-Flanier-Tour vom allerfeinsten.
Unsere Restaurant-Wahl am Abend: Amelia
Das Amelia liegt zentral, aber etwas versteckt im Viertel Romantica in San Sebastián, nicht weit von der Kathedrale del Buen Pastor. Platz ist für 28 Gäste. Serviert werden nur abgestimmte Degustationsmenüs zu etwa 100 und 130 Euro. Küchenchef ist Paulo Airaudo. Nach 14 Wanderjahren auch in Peru und Mexiko macht er nun längere Station in San Sebastián und hat im Jahr 2017 sein neues Restaurant eröffnet, benannt nach seiner Tochter. In Europa sammelte Airaudo Erfahrung in legendären Restaurants wie Arzak (3* Michelin), San Sebastián oder The Fat Duck (3* Michelin), London. Im Mai 2015 eröffnete er La Bottega, eine Trattoria in Genf.
Verarbeitet werden täglich frische saisonale und auch teilweise vergessene Produkte von kleineren Produzenten. Die Weinkarte bietet eine spezielle Auswahl organischer oder biodynamischer Gewächse. Fast alle Weine werden auch glasweise serviert.
Kostproben aus unserem Menü
Unser Urteil
Leider war Paulo Airaudo bei unserem Besuch erkrankt, aber die engagierte Küchen-Crew nahm uns mit auf eine außergewöhnlich kreative Reise durch 11 Stationen und Inspirationen mit sehr eigener und mutiger Handschrift, eine moderne, spannende Küche. Es war uns ein Vergnügen. Wenn auch sicher an einigen Gängen noch ein wenig im Detail an den Harmonien der kombinierten Aromen gefeilt werden wird, freuen wir uns auf den nächsten Besuch.
Tipps und Adressen:
Anreise
Lufthansa und Eurowings fliegen von Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und München direkt Bilbao an. Von hier aus weiter mit Mietwagen, Bus oder Bahn nach San Sebastián.
Flughafen
Aeropuerto de Bilbao, Aireportuko eraztuna, 48180 Loiu, Bizkaia
Hotels
Hotel Igeretxe (unser Zwischenstopp bei der Anreise)
Heimathafen mit Meeresbrise. Das Hotel Igeretxe im baskischen Strandbad Getxo atmet nicht nur die elegante Atmosphäre längst vergangener Belle-Époque-Tage. Das Hotel ist ein klassisches Ausflugsziel der Bewohner des nahe gelegenen Bilbao, die an Wochenenden und lauen Sommerabenden im idyllischen Garten gern einen Cocktail schlürfen.
Muelle Ereaga Kaia, 3, 48992 Getxo, Bizkaia, www.hotel-igeretxe.com
Gran Hotel Maria Cristina
República Argentina 4; 20004 San Sebastián Gipuzkoa
Essen
Amelia Restaurant
Moraza Kalea, 1B, Entrada en Prim, 34
20006 Donostia-San Sebastián, Spanien
Telefon: +34 943 84 56 47
www.ameliarestaurant.com
Einkaufen
Original Baskenmützen
Casa Ponsol SL, Narrika Kalea, 4,20003 Donostia, Gipuzkoa, Spanien
Bikinis
Calles an Batolomé 6
Goiuri – Hier kauft Frau die modische Strandmode
Mitbringsel:
Txirimiri ist der feine leise, fast unsichtbare und allgegenwärtige Nieselregen der Biskaya, der die Stadt im Sommer nach Zitrone und Bergamotte duften lässt. Aber nur die Perfumeria Benegas in der Nr. 12 der Calle Garibay bietet Txirimiri als Duft-Souvenir aus den Essenzen von Zitusfrüchten, Sandelholz und Bergamotte.
Sprache:
Das verflixte „X“ in baskischen Wörtern
Für Deutschsprechende ungewöhnlich:
Das X, der 24. Buchstabe des lateinischen Alphabets, wird im Baskischen wie das deutsche „Sch“ (etwa wie „Fisch“) ausgesprochen. Er kommt relativ häufig vor, meistens in der Kombination „Tx“. Und schon müssen Sie nicht mehr hungern und können die Spezialitäten „Pintxos“, die raffinierten anderen Tapas, mit „Txakoli“ (moussierender Wein mit hohem Säuregehalt, der in den Bars und Restaurants traditionell in hohem Bogen in die Gläser geschenkt wird) bestellen.
kafl