Die Sonne kann im Herbst schon etwas müde sein, aber deswegen schläft sie noch lange nicht ein. In ihrer moderaten, behaglichen Wärme glüht der Sommer noch ein letztes Mal auf, ehe er sich fröstelnd zurückzieht. Von zeitgenössischen Dichtern ist schon seit langem nicht mehr zu erwarten, das sie eine Jahreszeit besingen oder gar – wie Thomas Mann, Heine, Dumas und sogar Grass – der Kochkunst eine Ode widmen. Heinrich Böll hatte beklagt, dass in der deutschen Literatur zu wenig gegessen und getrunken werde. Dabei würde gerade der Herbst eine künstlerische Lobpreisung verdienen, denn er ist nicht nur der „große Malermeister“, als den die Poeten der Romantik ihn ergriffen porträtiert haben. Er ist auch ein kulinarischer Tausendsassa, der uns aufs Üppigste den Tisch deckt. Man braucht nur hineinzugreifen in dieses Stilleben der Natur.
Motto: Erntedank!
Gestern war die Hitze noch um uns herum, jetzt glüht sie in den Farben des Herbstes. In dieser Pracht steckt zwar Melancholie, sozusagen bunt getünchte Wehmut darüber, dass wieder einmal ein Sommer zerronnen ist. Aber in seiner Zeit reift vieles, was dem Feinschmecker lieb ist: Austern und Muscheln jeder Art; Nüsse, Maronen, Feigen, Trauben; Karotten, Lauch, Kohl, Schwarzwurzel; weiße Trüffel, Steinpilze und Dutzende anderer Sorten wie etwa der großbeschirmte Parasol oder die Krause Glucke, ferner Kürbis sowie Wild in sämtlichen Spielarten vom Hasen über das Reh und den Hirsch bis hin zu Rebhuhn, Fasan, Wildente, Taube und der göttlichen, leider selten gewordenen Schnepfe.
Asketen und jene Hohepriester des Magerseins, die jedes Körndl einzeln zählen und die Menschheit durch Verzicht in eine vermeintlich bessere Zukunft führen möchten, wissen freilich nichts von der Lebensfreude, die schon darin besteht, sich morgens in aller Heiterkeit das Essen für den Abend auszudenken.
Herbstmenü
Ein klassisches Herbstmenü mit einem Hauch von Luxus könnte so aussehen: Austern pur vorneweg, danach ein Steinpilzrisotto, gefolgt von einem im Ganzen gegarten Steinbutt mit Sauce Béarnaise und neuen Herbstkartöffelchen (ideal: Kipfler, auch Bamberger oder Pfälzer Hörnchen genannt, La Ratte in Frankreich), des Weiteren der Hauptgang als getrüffeltes Rebhuhn nebst Weinkraut und karamellisierten Trauben und schließlich vollendet durch ein Walnusssoufflé.
Rustikaler ist folgende Variante: Muscheln im Weinsud, Schwarzwurzel in heißer Butter, Wildragout mit Rotweinschalotten, Kohl und Maronenpüree – Bratapfel aus dem Rohr. (Rezept unter „Rezepte“ auf dieser Webseite). Und zwischendrin schmeckt die schlichte, doch delikate Liaison aus einem Glas keck säuselndem Federweißen mit frisch geschälten Walnüssen.
Herr, es ist Zeit, befiel den letzten Früchten voll zu sein, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein, heißt es im Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke, der schließt: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“
HERBSTREZEPT FÜR HOBBYKÖCHE VON PROFIS
Speck-Pfifferling-Salat mit Wachtelbrust und Wachteleiern
Ausgedacht hat es sich der Chefkoch des Bistros der THERME MERAN, Stefano Cecco, extra für den Herbst und SAVOIR-VIVRE
Zutaten für 4 Personen: g. 600 Pfifferlinge; g. 30 Olivenöl; g. 50 Speck;
g. 15 Himbeeressig; 4 Wachtelbrüste; Salz, Pfeffer, Thymian 4 Wachteleier Filo-Teig.
Zubereitung: Die Pfifferlinge sorgfältig säubern, von Hand filetieren und in Olivenöl kurz anbraten und warm halten.In der gleichen Pfanne den in sehr feine Julienne geschnittenen Speck anbraten und in Himbeeressig einlegen.Champignons und Speck mischen, mit Salz und Pfeffer würzen. Die gewürzten Wachtelbrüste getrennt braten und die hartgekochten Wachteleier zubereiten.
Für das Nest: Den Philo-Teig in Streifen schneiden, zu einem Nest formen und im Ofen goldbraun backen.
Schöner läßt sich die Stimmung nicht beschreiben, in die der Herbst uns versetzt: Er macht uns glücklich durch seine Üppigkeit, und die Magensäfte des Feinschmeckers beginnen begehrlich zu schnurren, denn er weiß, dass jetzt das Paradies geöffnet ist und das Leben rund und bunt ist wie ein Apfel. Wer den Herbst versäumt, lebt an sich selbst vorbei.
kfl
HINWEIS: Im Magazin SAVOIR-VIVRE veröffentlichen wir regelmässig unter der Rubrik REZEPTE VON PROFIKÖCHEN spannende Rezeptideen. Alle Rezepte sind für Hobby-Köche leicht nachkochbar, denn es werden nur wenige Zutaten verwendet. Alle Rezepte sind für 2 oder 4 Personen.