Roséweine sind der grosse Frühlings-und Sommerspaß und passen zu Picknick, Party oder einem gemütlichen Tagesausklang. Die Jury vom Gourmet- & Reisemagazin SAVOIR-VIVRE verkostet und berichtet im Magazin SAVOIR-VIVRE über die Entdeckungen. Zum Ablauf: Zuerst wird blind nach dem 100 Punkte-Schema in kleinen Gruppen verkostet. Und dann legen wir die Bewertungen beiseite und probieren und diskutieren bei Buffet undMusik.
Das Jury-Mitglied Dr. Thomas Coucoulis hat einige Eindrücke während einer Verkostung 2022 gefilmt. Vielen Dank dafür.
Roséweine und Sekte
Frühlings- und Sommerweine par excellence
Eigentlich sind Rosés verhinderte Rotweine. Das Ausgangsprodukt ist das gleiche: rote Trauben, die allerdings wie Weißweintrauben verarbeitet werden. Viele Rosés sind wohl nicht viel mehr als erbärmliche Kompromisse: Blabla in Pink, entweder süßlich schmeckend und fade wie parfümiertes Rosenwasser oder kratzig. Die Basis für derartige Karikaturen sind oft minderwertige, auch angefaulte Trauben, also Reben, die nicht zum Rotwein taugen und deshalb für Rosé aussortiert werden. Das nennt man verschämt önologische Resteverwertung. Das Ergebnis sind Weine von fahler Orangefarbe bis hin zu bräunlichem Schimmer und einem Aroma, das mit schal, unsauber, bitter und krautig noch gnädig beschrieben ist. Solche ungustiösen Exemplare gibt es nach wie vor, aber die sind auf dem Rückzug.
Tatsache ist, dass die Winzer – und dies weltweit – das rosige Thema zunehmend ernster nehmen und entsprechend bessere Qualitäten liefern.
Gaumenschmeichler mit Potential.
Auch bei Rosés muss man deshalb auf Qualität achten und nicht im Supermarkt en passant nach irgendeiner Flasche greifen, sei es, weil das Design lockt oder der Preis. Unter sieben Euro wird man sowieso kaum was Elegantes finden.
Gute Rosés verbergen sich selten hinter kitschigen Etiketten. Die können leicht verspielt sein, auch ein bisserl sexy, doch nicht lautschreierisch. Die Farbe sollte nicht satt wie dunkelroter Himbeersaft sein, sondern hell, walderdbeerartig mit gräulichem Schimmer. Der Franzose sagt dazu „Oeil de perdrix“ – das Auge des Rebhuhns. Im Duft darf nichts Pomadiges sein.
Dezente Töne nach Strauchblüten und Beeren, speziell roten Johannisbeeren, künden von klassischer Herkunft. Geschmacklich muss ein Rosé von fruchtiger, angenehm würziger Herbe sein: trocken, nicht sauer, spritzig, ohne zu moussieren, leicht, nicht seicht.
Für die Herstellung eines guten Rosés bedarf es eines gehörigen Fingerspitzengefühls, denn die Kunst liegt darin, den Trauben möglichst viel Aroma zu entziehen und gleichzeitig möglichst wenig Farbe sowie Gerbstoff (Tannin), damit der Wein nicht bitter schmeckt. Nur wenige europäische Traubensorten sind sogenannte Färbertrauben, deren Saft auch rötlich ist. Die meisten roten Trauben haben weißen Saft. Aus ihnen kann man Weißwein machen, wie es zum Beispiel in der Champagne praktiziert wird oder bei Weinen, die als „Blanc de noir“ etikettiert werden. Der rote Weinfarbstoff sitzt in den äußeren Zellschichten der Beerenhaut. Erst wenn der Traubensaft mit den zermalmten Häuten als Beerenbrei in der sogenannten Maische gärt, wird er rot. Läßt man die gemahlenen Trauben nur wenige Stunden im eigenen Saft liegen und preßt sie danach ab, wird der Saft rosafarben. Je kürzer der Kontakt ist, desto blasser fällt – wie beim Tee – die Farbe aus, je länger und intensiver der Kontakt mit den Schalen anhält, desto dunkler färbt das den Wein. Französische Winzer sprechen gerne poetisch vom Wein einer Nacht: Le vin d’une nuit.
Roséweine werden ausschließlich aus roten Trauben gewonnen – Verschnitte zwischen Rot- und Weißweinen sind in den EU-Ländern verboten, ausgenommen ist die Champagne, bei der das Gros der Rosés übrigens durch den Zusatz von Rotwein erzeugt wird. Eine weit verbreitete Technik zur Herstellung von – in der Regel hochwertiger – Rosés ist die Saignée-Methode, auf deutsch „Bluten“ oder „Aderlaß“ genannt. Dabei werden aus dem Behälter, in dem die Trauben für den werdenden Rotwein gären, nach kurzer Zeit, im Schnitt zwischen 12 und maximal 48 Stunden, um die zehn bis 20 Prozent des bereits sanftrot gewordenen Mostes ohne Preßdruck von der Maische abgelassen und zum Rosé weiter verarbeitet. Als Nebeneffekt dieser bevorzugt in Südwestfrankreich angewandten Saignée-Technik ergibt sich eine höhere Konzentration für den im Gärbottich verbliebenen Rotwein.
Zu den rosigen Spezialitäten zählt der Schillerwein, der speziell in Württemberg traditionell durch die gemeinsame Kelterung von weißen und roten Trauben hergestellt wird. Gleiches gilt für den Rotling, eine weitere Spielart des Rosé; im Badischen wird dieser Wein durch den Mix von Grauburgunder und Spätburgunder bereitet und als „Badisch Rotgold“ vermarktet. Der Weißherbst wiederum muß aus Trauben einer einzigen roten Rebsorte gekeltert werden; vor allem trockene Spätburgunder-Weißherbste werden als hochwertig eingestuft (in diesem Fach gibt es freilich auch halbtrockene und liebliche Ausgaben).
Der Uhudler – Kulturgut aus dem Burgenland: Eine besondere Spezialität ist der UHUDLER aus dem Burgenland. Im Aussehen ähnelt der Uhudler – je nach Ausbauart und Zusammensetzung der Sorten – einem hellen Rotwein oder Rosé. Insbesondere die Gemeinden Heiligenbrunn und Eltendorf bilden das Zentrum des Uhudler-Anbaus.
Woher der Uhudler, der meist aus roten, seltener aus weißen Trauben gekeltert wird, seinen Namen hat, weiß keiner so recht. Der Legende nach hat man nach dem übermäßigen Genuss dieses Weines Augenringe wie ein Uhu. Andere meinen, man bekäme nach einigen Gläsern einen etwas starren, uhuartigen Blick.
Außerhalb der EU werden viele Rosés durch simplen Verschnitt von Rot- mit Weißweinen produziert. Das ergibt belanglose, glatt gebügelte Weine, denen das Charakteristikum eines guten Rosés fehlt: der fruchtige, würzig-herb unterlegte Charme.
Delikate Rosés gibt es mittlerweile in nahezu jeder Weinregion, jedenfalls in solchen mit Rotweintradition. Der „Gran Feudo“ der spanischen Bodegas Julian Chivite mit seiner intensiven, gewürzig durchwobenen Fruchtnote ist ebenso ein Bilderbuchrosé wie der kräftige Tavel Rosé von Château d’Aqueria, der „Rosado“ von Marqués de Riscal aus Rioja oder der Castello di Ama-Rosé aus der Toskana.
Zu den Klassikern zählen die Rosés „La Dame Rousse“ von der Domaine de la Mordorée (Tavel) sowie von den Domaines Ott aus der Provence, deren Wein in der Keulenflasche mit knappen 30 Euro pro Flasche zu den hochpreisigen Vertretern zählt. Ebenfalls die Provence-Würze atmet der delikate Pétale de Rosé vom Château la Tour de l’Eveque. Von den Côtes du Luberon stammt der substanzielle Rosé vom Château Constantin-Chevalier. Zu den Spitzenrosés zählt der Rosa Mara vom Gardasee.
Aus dem französischen Süden stammt der Rosé der von Deutschen biodynamisch geführten Domaine de l’Horizon, der fruchtige Dichte mit Finesse verbindet und das Prädikat außergewöhnlich verdient – was freilich auch für den Preis von rund 35 Euro gilt. Mit cirka 80 Euro gibt sich der „Garrus“ vom Château d’Esclan in der Provence noch teurer; Experten wie Jancis Robinson rühmen diesen Rosé freilich als hochklassig. Für ein Fünftel dieser Summe ist der Château Verez von den Côtes de Provence zu haben: zartes Zwiebelschalenrosa, fruchtig getönte Herbe nach Walderdbeere, Strauchblüten, Kräutern, ein fein geschliffener Wein.
Ähnlich hochklassig gibt sich der Rosé von Château Faugère aus St. Emilion, gekeltert aus jeweils halb Merlot und Cabernet Sauvignon: helles Rubin, würziges Fruchtbündel in geschmeidigem Körper, cirka 15 Euro im Handel.
Ein Fall für sich ist der „Rosé brut“ von Menger–Krug, ein Sekt von geradezu tänzelnder Rasse. Zu den Raritäten zählt der berühmte Schilcher aus der Südweststeiermark, ein besonders kerniger, zumeist betont herb angelegter Rosé und idealer Wein zur sommerlich-pikanten Küche, Speck und Schinken eingeschlossen. Dass Rosés salonfähig geworden sind, zeigt sich auch daran, dass aus Kalifornien zunehmend achtbare Kreszenzen importiert werden. Spanien hat sein Rosé-Angebot ebenso forciert wie Italien. Österreich trumpft gleichfalls mit herrlich rassigen Sommer-Rosés auf. Herzhafte Würze hat der aus Zweigelt gemachte Rosé von Pfaffl, komplex ist der „Rosé de Pinot“ des Wiener Winzers Wieninger angelegt, herbe Grazie adeln den Rosé-Brut-Sekt vom Weingut Bründlmayer. An der Ahr, im Badischen, der Pfalz sowie am Bodensee – da ist es der Weißherbst – werden ebenfalls achtbare Rosés von fruchtiger Delikatesse gekeltert. Im Tessin präsentiert Daniel Huber mit dem Zampillo einen edlen Rosé mit feinen Blütenaromen, der sich auch als Aperitif eignet.
Zwar gibt es immer noch Weinfreunde, die trinken Rosé – der sei unmännlich, ein Wein ohne Rückgrat – nur unter der Bettdecke, weil sie dabei nicht ertappt werden wollen. Das ist falsche Scham. Der Kenner & die Kennerin scheren sich nicht um das snobistische Gerede von den Rosés als Verlegenheitslösung zwischen weiß und rot, sondern trinken sie, wann immer ihnen danach ist: an sommerlauen Tagen, zum Grillen, zu kleinen Näschereien wie Honigmelone mit Schinken, Fischsalat, Fleischpasteten, Nudelgerichten, Ziegenkäse, Früchtedesserts, Gemüseragouts, Scampi mit Kräutern, Spiegelei sowie Rührei mit Räucherspeck oder gedankenlos gegen den unschuldigen Durst am Abend.
Gute Rosés sind Weine mit Sommersprossen, unkompliziert strukturiert und so zu trinken.
Schlabber, schlabber weg damit, lautet in jedem Fall das heitere Trinkmotto.
kafel