Als „wahre Poesie des Obstes“ hat Eugen von Vaerst, der preußische Offizier, Theaterdirektor und Schriftsteller (1792-1855), die Feige in seiner „Gastrosophie“ gerühmt, dem geistreichen und heute noch lesenswerten Werk über die Freuden der Tafel. Auch der im 1. Jahrhundert n. Chr. in Rom lebende Marcus Gavius Apicius schätzte, wie alle seine antiken Zeitgenossen, die süße Frucht, doch der ebenso berühmte wie berüchtigte Prasser, radikale Genießer und exaltierte Lüstling – eine Leibspeise waren ihm gebratene Flamingozungen – hatte auch eine deutlich pragmatischere Einstellung zur Feige. Er ließ sie in Erwartung eines feineren Fleisches sowie einer besonders schmackhaften Leber an seine Schweine verfüttern. Abgesehen von diesem reichlich luxuriösen Einsatz aßen die Römer ihre geliebten Feigen mit der gleichen Selbstverständlichkeit zum Brot wie der Deutsche es mit der Butter tut; heute ist die Frucht weltweit als Delikatesse hoch geschätzt.
Die Urheimat der Feige ist nicht bekannt, vielleicht ist es die Region ums Kaspische Meer. Gesichert hingegen ist, dass die Feige zu den ältesten Kulturpflanzen zählt, deren Wurzeln sich, wie erst kürzlich entdeckt, im Jordantal 11 400 Jahre zurück verfolgen lassen, nahezu ein Jahrtausend früher als das erste Getreide.
Feigen waren in Mesopotamien, Ägypten, Palästina und Griechenland ein wesentlicher Teil der Ernährung. Im alten Rom waren sie in getrockneter Form so hoch geschätzt wie Brot und dienten zumal der Landbevölkerung im Winter als Vorrat. Ihr Nährwert ist beachtlich, frische Feigen sind reich an Vitamin B sowie Mineralien à la Magnesium, Kalium, Kalzium, Eisen und Zink. Sie sollen gegen Müdigkeit und Leistungsschwäche wirken, die geistige Konzentration fördern, Muskelkrämpfen vorbeugen, die Verdauung anregen und ganz allgemein die Stimmung heben.
Feigensalat
Das Rezept stammt aus dem „Almanach der feinen Küche“ (Societäts Verlag 1932), verfaßt von Marcel Xavier Boulestin, 1878-1943, dem Literaten, Kochbuchautor, Gastronomen und erstem Fernsehkoch bei der englischen BBC: „Frische grüne Feigen werden geschält, in Scheiben geschnitten und auf eine Anrichteschüssel gelegt. Man stellt sie auf Eis und gießt ein Glas Portwein mit einem Tropfen Curacao und Kognak darüber. Gerade vor dem Anrichten schüttet man frischen Rahm dazu und rührt um.“
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Flambierte Feigen
Ein weiteres Rezept von Boulestin: „In der Zeit der frischen Feigen kann man in fünf Minuten eine sehr einfache süße Speise bereiten. Die Feigen werden geschält und mit einer Mischung aus zwei Teilen Curacao und einem Teil Kognak in einer silbernen oder versilberten Pfanne auf eine Spirituslampe gestellt. Man steckt den Likör an, sticht mit einer silbernen Gabel in die Feigen, während der Likör brennt, und schüttelt die Pfanne beständig. Die Feigen werden warm und weich, der Curacao kocht ein, die Flamme erstirbt von selbst. Man richtet sofort an. Dieses Gericht sollte entweder bei Tisch bereitet oder brennend aufgetragen werden.“
Dem hohen gesundheitlichen und kulinarischen Wert angemessen ist die mythische Bedeutung. Adam und Eva hatten ihre Blöße mit Feigenblättern verdeckt, nachdem sie vom Baum der Erkenntnis genascht hatten und sich plötzlich ihrer Nacktheit schämten. Den alten Griechen galt die Feige als Symbol für Fruchtbarkeit und Wohlstand, auch feminine Bilder wie insbesondere das weibliche Geschlecht wurden mit der dreieckig geformten Frucht und dem illustren Innenleben verbunden. Der erotische Aspekt spielt in der Kunst seit jeher eine große Rolle. Im Feigenbaum sahen die Griechen ihren Dionysos, den Gott des Rausches und der Lebensfreude, bei den Römern war Bacchus der Feigengott. Im Alten Testament steht die Feige für Frieden, in der Bibel finden sich 38 Hinweise auf die Frucht, wohingegen der Apfel nur vier Mal erwähnt wird.
Mit Feigen – figs in England, Figues sagen die Franzosen, ficos die Italiener, higos heißen sie in Spanien – läßt sich in der Küche nahezu alles anstellen; sie eignen sich für süße Speisen gleichermaßen wie für würzige und zumal süßsaure Kompositionen.
Marinierte Feigen
Vorzügliche Partner zu Soufflés, Eis oder Käse sind marinierte Feigen: Einen halben Liter Portwein mit 50 Gramm Honig und einer halben Zimtstange zur Hälfte einköcheln und darin die in Spalten geschnittenen Feigen marinieren. Voraussetzung für ein gutes Gelingen ist ein scharfes Messer, denn eine stumpfe Klinge würde die empfindlichen Früchte gnadenlos zerquetschen.
Feigen in Riesling
Ein Dessert für sich oder eine Zutat zu Schinken und Frischkäse sind in Riesling angedünstete Feigen: Zwei bis drei Eßlöffel Zucker karamellisieren, also in einem Topf erhitzen, bis sich der Zucker leicht bräunlich verfärbt hat, dann das Feuer sofort zurück nehmen, sechs an ihrer breiten Unterseite abgeschnittene Feigen auf das Karamell legen und gute zwei Minuten zärtlich vor sich hin schmurgeln lassen. Schließlich einen Viertelliter Riesling dazu gießen und alles zugedeckt bei kleiner Temperatur noch wenige Minuten lang fertig dämpfen. Als Wein eignet sich ein halbtrockenes Gewächs von Rhein oder Mosel; auch eine Scheurebe oder ein Traminer würden sich gut machen.
Feigen flambiert nach spanischem Rezept
Noch raffinierter klingt ein spanisches Rezept, angelegt für vier Personen: Acht reife, ungeschälte Feigen vorsichtig in vier Spalten schneiden, in einem Gefäß mit einem Glas Rum oder Orangenlikör (besser noch ist eine Mischung aus beidem) übergießen und mindestens zwei Stunden lang marinieren. Danach in einer Pfanne 50 Gramm Butter zerlassen, schaumig werden lassen und darin die abgetropften Feigen einige Minuten lang schwenken. Schließlich 100 Gramm braunen Zucker hinzufügen sowie die Hälfte der Marinade. Nun ein Stück Würfelzucker mit hochprozentigem Rum beträufeln, zu den Feigen legen, anzünden und flambieren. Sobald die Flamme erloschen ist, die Feigen auf Teller verteilen, mit dem Fond begießen und unverzüglich mit Vanilleeis servieren – wer es lieber pikant mag, kann die flambierten Früchte auch zu kräftigem Käse, geschmortem Hasenrücken oder einer rustikalen Fleischpastete genießen.
Feigenchutney
Im Gegensatz zur Mittelmeerküche, in der die Frucht vielfältig genutzt wird, beschränkt sich die deutsche Küche eher auf Standardrezepte wie etwa das klassisch zu nennende Feigenchutney: Einen Eßlöffel Pflanzenöl erhitzen, darin 20 g Ingwer und eine Knoblauchzehe, beides frisch gehackt, ferner eine Kapsel Sternanis sowie zwei Kapseln zerdrückten Kardamom andünsten, des weiteren 300 g gehackte Schalotten und 80 g Aprikosen (getrocknet und gewürfelt) gute drei Minuten lang mitgaren lassen. Zwei El Sherryessig, einen Viertelliter trockenen Rotwein sowie 70 g Zucker hinzufügen und unter Rühren 15 Minuten lang einreduzieren. Schließlich acht frische und gewürfelte Feigen dazu geben und weitere drei Minuten mitköcheln. Das fertige Chutney auskühlen lassen, mit Salz sowie frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer abschmecken und in Gläser füllen – gekühlt ist es mindestens zwei Wochen lang haltbar und ein leckerer Partner zu den üblichen Verdächtigen à la Käse, Schinken, Pasteten, Schmorbraten von Wild, Geflügel, Rind und Schwein.
Die meisten Feigen werden heute im Mittelmeerraum kultiviert, insbesondere in der Türkei, Spanien, Griechenland, Israel, Algerien und Italien. Die Feige gedeiht überall dort, wo es warm ist und Wein wächst, so auch nördlich der Alpen zwischen Baden, der Pfalz und dem Elbtal oder in Wien, wo im „Bio-Feigenhof“ unter Glas 25 Sorten biologisch angebaut werden (Informationen gibt es unter www.feigenhof.at). Die Saison der frischen Feigen dauert von Ende Juli bis in den November hinein (aus Südamerika werden sie auch im Winter importiert); das ganze Jahr über gibt es sie getrocknet: da gehen Vitamine verloren, doch andere Werte bleiben und der Zuckergehalt wird deutlich erhöht. Weltbekannt sind um die 150 Sorten. Schwarze Feigen schmecken süß, haben jedoch ein eher trockenes Fruchtfleisch. Saftiger, aber weniger süß sind grüne Feigen mit ihrer weichen Schale. Kenner bevorzugen die violetten Feigen mit dem reich ziselierten Aroma nach Honig, Rosen, Rosinen und einem aparten Hauch nach Veilchen.
Solche sinnlich duftenden Früchte sollten am besten direkt verzehrt oder verarbeitet werden. Im Kühlschrank halten sie nur wenige Tage ihren einzigartigen Geschmack. Feigen mit harter Schale sind noch nicht reif. Perfekt gereifte Feigen erkennt man übrigens daran, daß die Frucht leisem Druck etwas nachgibt, die Schale zwar unversehrt, doch ein klein wenig zerknittert ist und an ihrer Spitze, dem Blütenansatz, ein honigartiger Siruptropfen austritt – die Feige „weint“, was ihre Liebhaber als eine Träne des Glücks deuten.
kafl